Das Jungpferd vom Boden ausbilden

Das Jungpferd vom Boden ausbilden, macht Spaß und kann sehr abwechslungsreich gestaltet werden. Ich kann jetzt schon mit Saffa an den Putzplatz, ihn komplett putzen, die Hufe bearbeiten lassen und kleine Runden spazieren gehen. Der ganze Umgang mit ihm klappt so gut, dass ich jetzt den nächsten Schritt gehen und mit ihm anfangen möchte, zu “arbeiten”. Arbeiten in Anführungsstrichen, weil er immer noch sehr jung ist und die Einheiten entsprechend kurz und am Anfang auch nicht sehr intensiv und nicht sehr häufig sind.

Bodenarbeit

Das erste Mal war meine Trainerin dabei und hat mir ein paar Dinge gezeigt, die ich vorerst mit ihm üben kann. Darunter zum Beispiel das Außenherum auf dem Hufschlag laufen. Saffa hat in seinem Leben bisher nur die Halle in der Klinik von innen gesehen und da ist er kreuz und quer gelaufen. Von Hufschlagfiguren hat er natürlich auch noch keine Ahnung. Also war seine erste Übung: auf dem Hufschlag außen laufen. Ich laufe immer innen, sodass er mich nicht zwischen sich und der Bande einklemmen kann. Das übten wir ein paar Runden auf jeder Hand. Danach musste ich Saffa am Bodenarbeitsseil um mich herumschicken.

Im Schritt fand er das furchtbar langweilig und ist gleich in den Trab gewechselt. Das ist alles überhaupt nicht schlimm, solange er dabei um mich herumläuft. Das sieht in etwa aus wie Longieren, nur mit 4 m Bodenarbeitsseil. Jetzt musste ich ihn nur irgendwie wieder zum Stehen kriegen. Meine Trainerin gab mir den Tipp, das über seine Hinterhand anzusteuern. Ich sollte übertrieben auf seine Hinterhand “starren” und mich mit meinem Oberkörper in die entgegengesetzte Richtung, in die er läuft, lehnen. Danach sollte er die Hinterhand nach außen drehen und auf mich zukommen und stehen bleiben. So der Plan.
Das funktionierte beim ersten Mal natürlich nicht. Als Verstärker sollte ich dan auf seine Hinterhand aktiv zu zugehen.

Bodenarbeit in der Halle
Das erste Mal Bodenarbeit mit unserer Trainerin

Das klappte: Er drehte die Hinterhand weg und lief in meine Richtung. Schließlich blieb er sehr dicht an mir stehen. Das war für den Anfang auch schon ok! Im nächsten Schritt darf er allerdings schon nicht mehr so dicht an mir zum Stehen kommen. Ziel ist es, dass er allein und etwas weiter weg von mir anhält. Er verstand das relativ schnell. Ich finde diese Übung super praktisch, da es die Vorstufe zum Longieren ist. Auf Kommando in die Mitte laufen, kann ich nun auch gut bei der Bodenarbeit verwenden, um die Kontrolle über die Schulter zu bekommen. Nun galt es, in den nächsten Wochen daran zu feilen.

Der nächste Schritt war, dass er auf Stimmkommandos zu reagieren hatte. Ich musste mir dabei eindeutige Kommandos für das Loslaufen, Stehenbleiben, Durchparieren, Antraben und auch Angaloppieren überlegen. Ich habe für das Loslaufen das Kommando “und Komm”, Stehenbleiben ist “Hoo”, Durchparieren ist “Brr”, Antraben ist zweimal Schnalzen und Angaloppieren ist Küsschen geben. Die können wir beide gut auseinanderhalten. Andere sagen für die einzelnen Gangarten (wenn das Pferd schneller werden soll) “Sche-ritt”, “Tee-rab” oder auch “Ga-lopp.” Wichtig ist nur, bei einem Kommando zu bleiben und nicht jedes Mal etwas anderes zu verwenden.

Bodenarbeit auch mit Gerte zum touchieren.
Bodenarbeit auch mit Gerte zum Touchieren.

In der Bodenarbeit bringe ich Saffa auch bei, rückwärts zu gehen. Das klappt mittlerweile sehr gut, ich muss ihm nur noch auf die Brust tippen und „zuuurück“ sagen. Die Gerte habe ich auch gern dabei, einfach zur Verlängerung meines Armes. So kann ich mit ihm zum Beispiel auch die Hinterhandwendung erarbeiten. Momentan üben wir das Übertreten, also Kreuzen von Vor- und Hinterhand. Das Erfordert viel Konzentration, denn das Pferd muss alle vier Beine sortiert bekommen. Das klappt nicht immer beim ersten Versuch. Deshalb, sobald es einmal ein Beinpaar gekreuzt hat: loben!

Ich hielt die Einheiten am Anfang sehr kurz, nicht länger als 15 Minuten. Danach war sein Hirn sowieso überlastet und ich sah ihm richtig an, dass es genug war 🙂 Auch ein Grundsatz der Jungpferdeausbildung: Fordern, aber nicht überfordern! Das galt auch für unsere Spazierrunden, die habe ich immer wieder verlängert und bin immer eine andere Runde gelaufen, als beim letzten Mal.

Longieren

Als die Übung mit dem Kreisen und Hinterhand wegschicken funktioniert hat und die Stimmkommandos einigermaßen saßen, habe ich mit dem Longieren angefangen.

Aufgeregter Saffa. Beim Longieren mit jungen Pferden immer Handschuhe anziehen!
Aufgeregter Saffa. Beim Longieren mit jungen Pferden immer Handschuhe anziehen!

Dazu besorgte ich mir einen Kappzaum, eine Longe und eine Bogenpeitsche.
Eine Bogenpeitsche deshalb, weil die nicht so schwer und unhandlich ist. Ich muss mit dem Schlag nicht bis an das Pferd rankommen, es reicht, wenn Saffa das Geräusch hört. Eine leichte Peitsche ist später auch viel praktischer für die Arbeit an der Doppellonge. Den Kappzaum wollte ich, da ich dem Pferd so viel präzisere Anweisungen geben kann, denn der sitzt fest am Kopf. So kann ich den Kopf zu mir herziehen, falls er mich vergisst und losrennt.

Unsere Schwierigkeit hier lag beim Durchparieren zum Schritt. Das findet Saffa super langweilig und hat das anfangs gar nicht gemacht. Antraben und angaloppieren klappte da viel besser. Ich machte mir deshalb die Bodenarbeit zunutze und konnte ihn mit meiner Körpersprache bremsen. Dazu deute ich das Kommando an, mit dem ich seine Hinterhand wegschicke und sobald er durchpariert, gehe ich wieder in eine neutrale Position und schicke ihn leicht vorwärts. Nur so viel, dass er nicht gleich wieder antrabt und immer verbunden mit meinem Kommando “Brr” fürs Durchparieren.

Schrecktraining

Was ich auch immer wieder gern mache, ist Schrecktraining oder auch Desensibilisierung. Wir haben in unserer Halle diverse Gegenstände, wie Schaumstoff-Nudeln, Planen, große Gymnastikbälle oder Flatterbänder. Vor all dem hatte er anfangs richtig Angst. Aber mit viel Geduld und Ruhe durfte er diese Gegenstände kennenlernen und fürchtet sich nun gar nicht mehr davor.

Die Plane ist jetzt sein neuestes Accessoire!
Die Plane ist jetzt Saffas neuestes Accessoire!

Spaziergänge

Dasselbe gilt auch im Gelände. Für ein Jungpferd ist erst einmal alles gruselig. Holzstapel, Tüten, Tunnel bzw. Unterführungen, Gullideckel. Auch hier gehe ich mit Ruhe und Geduld an die Angstsituation heran. Wenn für ihn etwas gruselig ist, bleibe ich stehen, atme hörbar aus und lasse ihn alles begutachten. Natürlich nur, wenn es die Situation zulässt und ich uns damit nicht in Gefahr bringe. Mittlerweile hat er im Gelände vor nichts mehr Angst. Züge, Traktoren, Rüttelplatten, Baustellenfahrzeuge. Alles kein Problem!

: Im Gelände kann ich mit ihm auch alleine durch diesen engen Tunnel gehen.
Im Gelände kann ich bereits alleine mit ihm durch diesen engen Tunnel gehen.

Handarbeit

Als Vorbereitung zum Reiten mache ich auch gerne Handarbeit oder Arbeit am langen Zügel. Handarbeit findet er noch nicht so cool, aber Langzügel macht er sehr gern. Dabei geht er immer sehr selbstbewusst und zügig voraus!

Wenn du mit deinem Pferd auch Handarbeit machen möchtest, haben wir dir in unserer Beitragsreihe zur Handarbeit nützliche Tipps und Tricks zusammengestellt.

Handarbeit mit Trense
Handarbeit mit Trense

Langzügel & Doppellonge

Für die Arbeit am langen Zügel habe ich meine Kenntnisse mit der Doppellonge einsetzen können. Ich habe auch ein paar Bücher vorher gelesen, was mit der Doppellonge bzw. dem Langzügel alles möglich ist. Man kann sein Pferd tatsächlich bis zur Hohen Schule an der Doppellonge ausbilden. Die Wiener Hofreitschule ist mit ihren Lipizzanern das beste Beispiel. Saffa muss keine Kapriole springen können, ich finde nur, Langzügelarbeit ist eine tolle Abwechslung und eignet sich hervorragend als Vorbereitung für das Reiten.

Die Arbeit mit diesen langen Zügeln musste ich erst vorbereiten, weil er es nicht kannte, allein vorne zu laufen, geschweige denn die Zügelhilfen. Dazu stand ich vor ihm, hatte in jeder Hand einen Zügel und zupfte abwechselnd leicht an jedem Zügel. Drehte er den Kopf in die richtige Richtung, wenn auch nur ein bisschen, ließ ich sofort los und lobte ihn. Dasselbe machte ich mit beiden Zügeln gleichzeitig in Richtung hinten oben. Darauf muss er seinen Kopf heben. Machte er das gut, lief ich mit ihm nebendran los und hatte beide Zügel in einer Hand. Jetzt zupfte ich an beiden Zügeln, um ihm die Parade zum „Stehenbleiben“ zu geben. Dazu gab ich das Stimmkommando “Hoo”, das er ja schon kennt. Erst als das alles funktionierte, probierte ich es im Gelände nochmal. Und erst danach versuchte ich es mit dem Langzügel. Da aber auch nur am Kappzaum. Ein Halfter geht natürlich auch.

Saffas erstes Mal mit dem Langzügel auf dem Reitplatz.
Saffas erstes Mal mit dem Langzügel auf dem Reitplatz.

Auf dem Bild hat er schon einen Longiergurt drauf. Durch ihn bleiben die beiden Zügel an einer Stelle, ähnlich wie die Reiterhand. In dieser Position musste er erst lernen, allein loszulaufen. Das war nicht so einfach. Aber in Kombination mit einer Gerte und meinem Stimmkommando hat er das zügig verstanden und ich konnte die Gerte weglegen. Wir waren zum Glück allein auf dem Reitplatz, denn die Lenkung funktionierte nicht beim ersten Mal. Aber wir fuchsten uns da recht schnell rein und gehen mittlerweile auch im Gelände am Langzügel spazieren!

Langzügel im Gelände. Das macht ihm echt Spaß!
Langzügel im Gelände. Das macht ihm echt Spaß!

Beachte bitte, dass du bei der Langzügelarbeit immer genügend Abstand zu den Hinterbeinen deines Pferdes hast, denn auch das bravste Pferd schlägt mal aus oder erschrickt sich. Vor allem ein junges.

 

Das Jungpferd vom Boden auszubilden, ist also eine wunderbar abwechslungreiche Methode, um es auf das Reiten vorzubereiten. Ich bin kein Profi in all diesen Dingen und möchte hier auch keine Anleitung geben, wie jemand sein Pferd einzureiten hat. Das hier ist eben unser Weg. Ihn zu gehen, macht sehr viel Spaß! Bevor ich solche Sachen mache, informiere ich mich ausreichend und vor allem lasse ich mir das Ganze an einem ausgebildeten Pferd zeigen, bevor ich es an meinem rohen Jungpferd ausprobiere und ihm gleich richtig beibringe.

Im nächsten Beitrag, geht’s dann darum, wie ich mein Jungpferd an den Sattel gewöhne.

Vorherige Beiträge aus dieser Reihe

Teil 1: Saffas Weg vom Jungpferd zum Reitpferd
Teil 2: Kastration: Soll ich meinen Hengst legen lassen?
Teil 3: Worauf muss ich beim Jungpferd besonders achten?
Teil 4: Die Pferdeerziehung der das Pferde ABC
Teil 5: Putzen und Anbinden – so lernen es junge Pferde richtig

Sonja

Über Sonja

Pferdeverrückt war ich schon immer. Alles fing mit meiner zuerst überschaubaren Schleich-Pferde Sammlung an, die bald ein unüberschaubares Ausmaß annahm. Mit 8 Jahren durfte ich dann bei der örtlichen Jugendfarm mit dem Reiten anfangen. Die Zeit dort war und ist auch heute noch unvergesslich. Als ich dann aus den Ponys dort "rausgewachsen" bin, hatte ich meine erste Reitbeteiligung, auf die dann viele weitere folgten. Nach meinem Studium, Medieninformatik, fing ich an, als Appentwicklerin bei Loesdau zu arbeiten und konnte mir so endlich das erste eigene Pferd leisten. Den Lipizzaner Wallach Saffa. Zu dem Zeitpunkt war er knappe 3 Jahre alt. Jetzt sind wir mitten in der Ausbildung und ich bin gespannt, wohin die Reise uns führen wird. Wenn du mehr über unseren Ausbildungsweg erfahren willst, halte doch mal Ausschau nach der Beitragsreihe "Saffas Weg" :)

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