Wege aus der Dysbalance

Hat sich einmal Dysbalance und gegenseitige Unsicherheit aufgebaut, gibt es Möglichkeiten aus dieser Spirale wieder herauszufinden. Entdecke in diesem Beitrag 5 Tipps, die dir helfen, Unsicherheit und Dysbalance hinter dir zu lassen.

Unser Kooperationspartner, Fotograf und Abenteurer Florian Wagner, hat seit Jahren Schmerzen im rechten Knie. Er schreibt zum Thema Dysbalance: „Im April 2021 musste ich zum vierten Mal operiert werden. Der Schienbeinkopf wurde durchtrennt, das Bein „korrigiert“ und mit einer Stahlplatte fixiert. Ein Alptraum, dessen Heilung ein ganzes Jahr in Anspruch nehmen sollte. Mehr als erwartet zerstörte die OP zunächst meine Balance und in der Konsequenz auch meine Qualität als Reiter aus Sicht meiner Paint Stuten Soloma und Mara. Motiviert durch die langjährige erfolgreiche Zusammenarbeit mit unserer Natural Horsemanship Trainerin Sabine Löffler beschloss ich, mein Training für ein paar Tage auf der Kulturfarm zu absolvieren. Dort sollte ich das Vertrauen in meine eigene Balance und auch die durch unsere langen Ritte durch Deutschland und Irland aufgebaute Bindung zu meinen Pferden wieder erneuern und vertiefen. Die Kulturfarm vereint Natural Horsemanship mit persönlichkeitsbildendem Einzel- und Team-Coaching und kulturellen Aktivitäten. Wir waren nur drei Tage da, übten das Gelernte bei wunderbaren Ausritten in die Westlichen Wälder und saßen lange am Lagerfeuer, um uns auszutauschen. Das Training mit Sabine zeigte weit mehr Wirkung als ich erwartet hatte.

Welche Wege aus der Dysbalance gibt es und wie lasse ich Unsicherheiten hinter mir? Natural Horsemanship Trainerin Sabine Löffler gibt dir 5 Tipps.

Vor allem halfen mir diese fünf Tipps von Sabine Löffler die Dysbalace und Unsicherheit hinter mir zu lassen:

1. Sensibilitäts- und Desensibilisierungscheck

Stick, Peitsche, Gerte oder Seil sind immer nur eine Verstärkung unserer zuvor eingesetzten Hilfen (Körpersprache, Stimmkommandos, reiterliche Hilfen). Überprüfe, ob dein Pferd sich wirklich nur in Verbindung mit gezielt eingesetzten Körpersignalen/Hilfen angesprochen fühlt, oder ob es bereits anfängt sich zu bewegen oder zu beschleunigen, sobald Du Deine Position änderst, Dich komisch bewegst, oder den Stick bzw. die Gerte oder Peitsche anhebst.
Ist letzteres der Fall, streiche dein Pferd überall mit Stick, Gerte oder Peitsche ab. Fängt dein Pferd an sich zu bewegen, streiche es an dieser Stelle so lange weiter ab, bis es stehen bleibt. Hör auf mit dem Abstreichen, sobald es stehen bleibt. Taste dich so immer weiter vor, bis es sich überall abstreichen lässt.
Genauso machst du es dann aus der Entfernung indem du zum Beispiel beim Führen oder Longieren den Stick oder die Gerte/Peitsche auf und ab bewegst. Beschleunigt dein Pferd, korrigiere es, bis es wieder langsamer wird. Die gemachte Bewegung bleibt aber gleich, solange bis es sich beruhigt. Ist das der Fall, hört die Bewegung, die das Pferd zunächst verunsichert hat, wieder auf.
So kannst du es dann auch z. B. mit einer schnellen Aufwärtsbewegung der Hand neben dem Kopf des Pferdes machen. Du bewegst die Hand schnell nach oben und streichelst das Pferd direkt danach ruhig am Kopf. Reißt es den Kopf hoch, wiederholst du das, bis dein Pferd sich auch während der schnellen Bewegung entspannt.
Achtung:
Achte bei der Desensibilisierung immer auf rhythmische Bewegungen, eine entspannte
Körperhaltung und ruhige Atmung. Verwende in Zukunft immer eindeutige Signale, um dein Pferd z. B. beim Longieren zu beschleunigen, bevor Du die Peitsche anhebst.
Dein Pferd soll bei dieser Übung lernen, sich NUR an den eindeutigen gezielten Signalen zu orientieren, anstatt sich von jeder Kleinigkeit aus der Ruhe bringen zu lassen.

Achte bei der Desensibilisierung immer auf rhythmische Bewegungen, eine entspannte Körperhaltung und ruhige Atmung.

2. Gelassenheitscheck und Vertrauensaufbau

Stelle erst sicher, dass dein Pferd beim Führen mit der Nase auf Schulterhöhe bleibt, ohne Zug am Halfter mit dir stehen bleibt und sich sofort und leicht rückwärtsrichten lässt, wenn du das verlangst.
Bitte danach eine zweite Person in ausreichendem Abstand zu dir und deinem Pferd ein angekündigtes Geräusch (z.B. laut „jetzt“ rufen) zu machen. Das Geräusch kommt am Anfang leicht zeitlich versetzt zur Ankündigung. Deine Aufgabe ist es bei dem „jetzt“ dein Pferd rückwärtszurichten. Du richtest dein Pferd weiter rückwärts, während das Geräusch startet. Die Zweite Person macht das Geräusch weiter, solange bis sich dein Pferd bereitwillig rückwärtsrichten lässt. Sobald das Pferd die Hilfe zum Rückwärtsrichten annimmt, stoppt das Geräusch und das Pferd bekommt Streicheleinheiten und eine Pause, um die Übung zu verarbeiten. Das wird sicher am Anfang schwierig, aber versuche trotzdem dein Pferd nicht an dir vorbeizulassen und mit dem Rückwärtsrichten durchzukommen. Wenn das nicht gelingt, sollte die zweite Person das Geräusch etwas leiser oder aus größerer Entfernung machen.
Du kannst die Geräusche ändern, Gegenstände (z. B. Fähnchenstock, Plastiktüte, Klappersack) verwenden, das Training im Gelände machen und, wenn es mit Ankündigung funktioniert, den gleichen Ablauf ohne Ankündigung wiederholen. Bei der Übung wird dein Pferd dich immer mehr bewundern, weil es merkt, dass du dich überhaupt nicht von den Geräuschen beeindrucken lässt und einfach weiter deine Übung machst. Am Ende stellt es sogar fest, dass sich die Lage entspannt, sobald es mit Mitarbeit reagiert. Es wird in dir eine starke Persönlichkeit sehen, die weiß, was sie tut und durchaus in der Lage ist die gefährliche Situation in den Griff zu bekommen. Es merkt, dass es sich auf dich verlassen kann.

3. Balance im Sattel wiederfinden

In der Bewegung findet auch eine Rotationsbewegung im Rumpf des Pferdes statt. Sitzt du schief, weil du, wie in Floris Beispiel, vielleicht versuchst ein Bein zu schonen, kommt automatisch mehr Druck in den anderen Steigbügel. Das hat zur Folge, dass dein Sattel rutscht, deine Oberschenkelmuskeln sich anspannen, dein Becken einseitig blockiert und du dadurch auch die Bewegungen des Pferdes blockierst, bzw. es sogar veranlasst sich selbst einseitig zu belasten.
Um deine Mitte wiederzufinden, achte beim Reiten auf die Bewegungen deines Pferdes. Spüre die wechselseitige Bewegung der Rückenmuskulatur. Atme ruhig und entspannt. Spüre auch die Links-/Rechtsbewegung deines Beckens. Versuche zu spüren, ob die Links- oder Rechtsbewegung stärker ist. Stell dir den Rumpf des Pferdes wie ein Fass im Wasser vor, das hin- und herwiegt. Du sitzt auf dem Fass und deine Füße tauchen links und rechts ins Wasser ein. Versuche auf die Seite tiefer ins Wasser einzutauchen, die anfangs schwächer ist. Dann finde die Mitte der beiden Seiten. Entspanne die Po- und Oberschenkelmuskulatur und spüre deine Sitzbeinhöcker und dein Schambein. Diese drei Punkte sollten beim Reiten gleichmäßig belastet sein.

Flo (2. von rechts) erzielte nach kurzer Zeit große Erfolge und arbeitete erfolgreich an seiner Balance im Sattel. Die Übungen halfen ihm, tiefer in den Sattel zu kommen und langsam die angeeignete Schonhaltung aufzugeben.

Strecke deine Zehen im Schuh nach vorne aus und stell dir vor, dass deine Absätze leicht durch einen angenehm warmen Sand streifen. Versuche dabei nicht den Absatz aktiv herunterzudrücken, sondern lass ihn eher sinken. Wenn Du Deine Zehen im Schuh ausstreckst, sinkt der Absatz automatisch nach unten.

Diese Übungen helfen dir, tiefer in den Sattel zu kommen und langsam die angeeignete Schonhaltung aufzugeben. Falls du ein Pferd hast, das einen eher hektischen, angespannten und taktunreinen Schritt geht, versuche diese Übungen. Du wirst definitiv eine Verbesserung feststellen.

4. Präsent sein und die Zeit mit dem Pferd genießen

Es geht nicht immer nur darum, ein Training mit deinem Pferd herunterzurattern, damit es ausgelastet und bewegt ist. Es geht auch nicht darum, dass das Pferd einfach gehorsam eine Übung macht. Es geht vielmehr darum dich auf Dein Pferd einzulassen, es wahrzunehmen, und auch seine Stimmung zu spüren.
Nehmen wir die ersten beiden Übungen als Beispiel, dann geht es hier nicht um ein gehorsames Ertragen oder Durchführen der Übung, sondern um die Stimmung, mit der das Pferd anfängt und danach aufhört. Beendest du die Übung, wenn das Pferd es einfach mal gemacht hat, dabei aber noch sehr angespannt war, wirst du wieder von vorne anfangen, wenn du das Ganze am nächsten Tag wiederholst. Achtest du darauf, dass das Pferd entspannter aufhört als es angefangen hat, wird das Training sicher am nächsten Tag entspannter beginnen als am Tag zuvor.
Das Aufwärmen ist auch ein gutes Beispiel. Hast du dich schon mal durch gelangweiltes Latschen über einen Parkplatz für Sport aufgewärmt? Dann solltest du das auch nicht mit deinem Pferde machen. Statt einfach mit dem Pferd durch den Platz zu latschen oder zu reiten (am besten noch mit dem Handy in der Hand), kannst Du auch das Aufwärmen schon für das Pferd interessant gestalten.
Du kannst z.B. Tempowechsel einbauen. Solltest Du mal eine Verletzung haben und kannst deshalb nur langsam gehen, dann sollte dein Pferd sich deinem Tempo anpassen können. Bau das als Übung beim Führen mit ein. Geh schnell (zügig vorwärtsschreitender
Schritt) und dann wieder extra langsam.

Für das Beschleunigen atme ein, baue Körperspannung auf und marschiere energisch vorwärts. Folgt dein Pferd diesem Signal nicht, treibe es vorsichtig hinter der Schulter mit
dem Strick oder einer Gerte, bis es schneller wird. Um zu verlangsamen, atme aus, lasse deine Schultern sinken und nehme die Energie heraus. Will dein Pferd überholen, halte
es an und richte es rückwärts, bis es wieder auf der ursprünglichen Position ist. Diesen
Vorgang wiederholst du, bis sich das Pferd exakt deinem Takt und eurem Tempo anpasst.
Auch beim Reiten helfen Tempowechsel. Das Pferd bewegt die Muskulatur im vorwärtsschreitenden Schritt durch, die Gelenke werden warm und durch die Tempowechsel wird das Pferd auch geistig „warm“ – Du weckst hier schon die Aufmerksamkeit deines Pferdes.

Bedenke, dass für das Pferd die Kommunikation schon beginnt, wenn du es von der Koppel oder aus der Box holst und endet, wenn du es wieder wegbringst. In dieser Zeit solltest du anwesend sein – voll und ganz. Wir wollen ständig von unseren Pferden, dass sie feiner werden, aufmerksam sind…Das Gleiche sollten wir auch tun. Wir sollten genauso aufmerksam auf die Reaktionen unserer Pferde achten und uns hinterfragen, an welcher Stelle wir feiner arbeiten könnten. Das ist unsere Pflicht gegenüber dem Pferd, bedeutet Wertschätzung und zeigt unseren Respekt ihm gegenüber. Präsent sein bedeutet auch innerhalb von Übungen Verbesserungen zu erkennen und zu honorieren, statt stur an deinem Ziel festzuhalten und am Ende frustriert zu sein, weil es nicht so funktioniert wie du es geplant hast.
Jede Übung auf dem Weg zu deinem gesetzten Trainingsziel beginnt mit einem Ist-Zustand. Den kannst du anhand der Durchlässigkeit deines Pferdes, der Anspannung, der Anzahl der Schritte, des Tempos…. feststellen. Zu jeder Übung gibt es ein Soll (wie die Übung am Ende aussehen soll). Es ist wichtig dieses Soll zu kennen und zu visualisieren. Sonst erkennst du nicht, ob sich etwas verbessert.
Auf dem Weg zu diesem „Soll“ gibt es jede Menge Zwischenschritte (z. B. macht das Pferd entspannter und durchlässiger mit, läuft es freier oder schafft es mehr Schritte, schafft es die Übung in einem höheren Tempo…). Diese Zwischenschritte sollten bereits honoriert werden. Gib deinem Pferd genug Pausen, lobe es und lass es die Übung verarbeiten. Insbesondere dann, wenn es länger gebraucht hat, um die richtige Lösung zu finden, muss es schon bei einem Anflug der richtigen Idee belohnt werden. So kannst du es zu mehr Mitarbeit motivieren.
Mit Lob und Pause meine ich ein echtes Lob, bei dem du dich wirklich freust, es zufrieden streichelst und ruhig atmest und vielleicht noch einmal Revue passieren lässt, wo du möglicherweise noch Hilfen reduzieren könntest.

5. Aus der Sicht des Pferdes

Stell dir vor, du wärst dein Pferd, kannst mit Worten nicht kommunizieren und auch nicht weglaufen, weil du an einem Strick oder einer Longe hängst. Du willst dein Bestes geben, um die Signale deines Menschen richtig zu deuten und hoffst, dass es das Richtige ist, was du ihm anbietest.

Es ist wichtig für dein Pferd, dass du eine klare Sprache sprichst.

Wenn dir diese Vorstellung wirklich gelingt, dann wird dir klar, wie wichtig es für dein Pferd ist, dass du eine klare Sprache sprichst, positives Feedback gibst und dich von Herzen freust, wenn es das Richtige anbietet. Und dir wird klar, wie schnell es ein Pferd verunsichern kann, wenn du dich plötzlich anders verhältst, unsicher wirst und eben nicht mehr die starke Persönlichkeit bist, auf die es sich verlassen kann.

Denk bitte immer daran, dass deinem Pferd nichts anderes bleibt als auf dein Verhalten
zu reagieren. Die Reaktionen deines Pferdes sind Kommunikation. Es zeigt dir mit seinem Verhalten, ob es dich versteht und wie es sich fühlt, wenn du mit ihm arbeitest. Ist dein Pferd entspannt, macht gut mit, ist motiviert und baut Muskulatur auf, dann stimmt die Verständigung und das Training. Ist das nicht der Fall, solltest du dir Hilfe holen.“
Sabine Löffler
Natural Horsemanship
Reitweisenübergreifende Pferdeausbildung

Christine

Über Christine

Erfahrung/Motivation: Nach einer sehr langen Reitpause begann ich im April 2012 wieder zu reiten. Eine schöne Schwarzwälder Fuchs Stute namens Jeany freute sich genauso wie ich über unsere langen und erholsamen Ausritte durch den Wald. Das Besondere an unserer Verbindung ist und bleibt, dass Jeany es schaffte, mich sehr schnell wieder komplett für Pferde zu begeistern. Zwar gelingt es mir momentan aus beruflichen und familiären Gründen nur ein bis zweimal in der Woche bei den Vierbeinern, die mir so viel geben, zu sein, den Stall zu machen und zu reiten. Aber diese Auszeiten müssen sein! Jeanys Stallgenossen sind wunderschöne Tersker, von denen ich momentan Nadja reiten darf. Wir sind ein relativ neues Team und gewöhnen uns noch im Dressurviereck und im Gelände aneinander – allerdings mit allerbesten Fortschritten!

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