Wer junge Pferde ausbilden möchte – bestenfalls gefühl- und respektvoll, sollte sich vorab gut informieren. Eine sehr interessante Veranstaltung, die tiefe Einblicke in die artgerechte Pferdeausbildung mit Gefühl und Respekt gibt, ist die Fachtagung der Anja Beran Stiftung. Am 20. November 2016 lud die Stiftung bereits zu ihrer 7. Fachtagung in den Circus Krone nach München. Wie immer stand die Pferdeausbildung mit Gefühl und Respekt im Mittelpunkt. Dieses Mal mit intensiver Blickschulung, um pferdegerechte Ausbildung besser erkennen zu können. Unsere Pferdesporthaus Loesdau Filialleiterin Alex aus Villingen hatte die Chance, dabei zu sein und möchte euch von der Veranstaltung berichten, „die alles zu bieten hat, was sich Besucher nur wünschen können.“
„Die Lichter gehen aus, ein sanftes Licht hüllt die Manege in ein dezentes Blau. Zwei Schimmel galoppieren in die Manege zur Musik aus dem Musical „Elisabeth“, live gesungen von Nicole Ciroth und Oliver Polenz. Die Pferde beginnen zu tanzen unter ihren Reitern.
„ Wenn ich tanzen will, tanze ich wie es mir gefällt“
Vera Munderloh auf Lusitanohengst Super und Anja Beran auf PRE-Hengst Ofendido reiten Galopppirouette, Traversale, Piaffe und Passage. Ein Pax de Deux der seinesgleichen sucht. Die Sänger nähern sich der Manege, es entsteht eine Gänsehautatmosphäre. Die Einheit zwischen Pferd und Reiter, der Sänger und ihrer Musik, ein Feuerwerk der Kunst auf allen Gebieten.
Licht an: Es folgten die Fakten. Um diese Einheit mit einem Pferd zu erreichen, bedarf es einer gründlichen Analyse des Pferdekörpers, erörtert Anja Beran in der Einführung. Wie bewegt sich ein Pferd in der Natur? Gezeigt wird ein Pferd auf der Koppel, in schöner Selbsthaltung in der Piaffe. Kein ziehender Zügel, klopfender Schenkel. Das Pferd piaffiert frei und ausbalanciert wie es in der Natur vorgegeben ist. Um junge Pferde ausbilden zu können, bedarf es sehr guter Kenntnisse des natürlichen Bewegungsablaufes, des Körperbaus sowie einer genauen Zieldefinition. Wer junge Pferde ausbilden möchte, übernimmt somit eine Verantwortung über die physische und psychische Entwicklung. In einer Animation wird deutlich, welche Ziele klassische Reitkunst verfolgt.
Die Gesunderhaltung des Reitpferdes auf höchstem Niveau
Leider sei die Gesunderhaltung des Reitpferdes im Turniersport größtenteils verloren gegangen. Zwei Animationen wurden verglichen: die eines klassisch ausgebildeten Pferdes mit der eines Grand Prix Spezialisten. Schnell wurde deutlich, dass die meisten Pferde im hohen Sporteinsatz mit physischen und psychischen Schäden frühzeitig aus dem Sport ausscheiden. Doch woran erkenne ich ein schonend ausgebildetes Pferd? Um den Ausbildungsweg eines jungen Pferdes zu erklären, kommt der dreijährige Warmbluthengst Ballentines vom Haupt- und Landesgestüt Schwaiganger in die Manege.
Gesattelt und auf Kappzaum, nicht ausgebunden, darf er sich die Situation erst einmal im Schritt an der Longe anschauen. Da er als Warmblüter doch sehr gute Nerven hat, kann mit der Trabarbeit begonnen werden. Schön ist eine lockere schwingende Bewegung über den Rücken zu sehen. Auch der Galopp bleibt ruhig und ausbalanciert. Und dies in einer Manege mit gerade einmal 12 Metern Durchmesser. Hier wird deutlich wie wichtig das Vertrauen zwischen Mensch und Pferd ist. Kein Zwang durch Ausbinder stören ihn und er darf frei sein Gleichgewicht suchen und finden.
Junge Pferde ausbilden: Wie bekomme ich mein Pferd in die Balance?
Zu früh werden junge Pferde in eine Form gepresst, müssen für die Leistungsprüfung oder Körung fertig gemacht werden. Vielen Ausbildern ist es nicht bewusst, dass es sich hier noch um Heranwachsende handelt, dessen Exterieur und Interieur dieser Belastung nicht Stand hält. Wie bekommt man nun ein Pferd in die Balance? Schritt, Schritt, Schritt. Seitengänge in allen Variationen, im Trab kein hohes Tempo wählen, Schritt-Halt-Übergänge. Um einen Eindruck der verschiedenen Pferdetypen zu bekommen, gibt es eine kurze Lehrstunde mit drei verschiedenen Pferden.
Schnell wird deutlich wie unterschiedlich die drei sind und wie individuell auf das einzelne Pferd eingegangen werden muss. Trotz ungewohnter Umgebung bleiben alle Pferde unter Kontrolle, dies ist auch ein Verdienst der klassischen Dressur meint Anja Beran. Mit einem Schulterherein ist schon viel gewonnen.
Natürliche Möglichkeiten fördern
So, nun kommt Rudi, ein Haflinger dem man leichte tänzerische Bewegungen so gar nicht zutraut. Durch ein genaue Analyse und gezielter Gymnastik geht er Renvers, Travers im Schritt und Trab bis hin zur beginnenden Galopppirouette. Auch eine Piaffe zeigt er wie es bei einem schweren Haflinger eben möglich ist. Dann kommt seine Spezialität, die Passage, und hier wird deutlich wie viel Kraft er hat. Jedes Pferd kann und muss in seinen natürlichen Möglichkeiten gefördert werden. Hierauf folgt ein kleines Feuerwerk unter Vera Munderloh. Rudi springt nach kleinen Gymnastikrunden Einerwechsel auf einer 12 Meter Volte. So locker und ausbalanciert als würde er gemütlich über die Koppel galoppieren. Anfänglich waren Einerwechsel in der Fachwelt verpönt und in den Zirkus verbannt. Nun hat sich diese nicht wirklich natürliche Bewegungsform auf beiden Seiten etabliert.
Gesunde Piaffe und Passage
Jetzt wird es spannend und gezeigt, woran ich eine gesunde Piaffe und Passage erkenne. Anhand einer Animation von echten Pferden in Zeitlupe wird der Bewegungsablauf genau erörtert.
Die Piaffe laut Richtlinien Band 2 FN.
‚Die Piaffe ist eine trabartige Bewegung auf der Stelle. Das Pferd beugt sich darauf vermehrt in den Hanken. Zwischen dem Auffußen der jeweiligen diagonalen Beinpaare liegt ein kurzer Aushaltemoment in der freien Schwebe. Bei elastisch federnder Rückenmuskulatur nimmt die gesenkte Hinterhand vermehrt Last auf. Das Pferd hebt die Unterarme etwa bis zur Waagerechten und setzt sich danach senkrecht nieder. Die energisch abfußenden Hinterbeine werden etwa bis in die Höhe der Fesselgelenke der lastaufnehmenden Beine angezogen.‘
Danach betrachteten wir einige Pferde in Zeitlupe und erkannten fast keine der genannten Kriterien mehr. So war beispielsweise
- kein Zweitakt mehr ersichtlich
- extremes Hochziehen der Beine
- keine Vorwärtstendenz
- zu starke Last auf der Vorhand
- lange Verzögerungen mit kreisartigen Bewegungen in der Luft
- aufgerollte Hälse
- keine Selbsthaltung
- fester Rücken
- keine Hankenbeugung
Beim Vergleich eines korrekt piaffierenden Pferdes in der Animation neben einem schadhaft ausgebildeten Pferd, wird einem bewusst, dass einiges schief gegangen sein muss und es nur eine Frage der Zeit ist, wie lange die Pferde dies gesundheitlich durchhalten.
Die Passage laut Richtlinien Band 2 FN.
‚Die Passage ist eine erhabene Trabbewegung mit geringem Raumgewinn und einem deutlichen Moment der freien Schwebe. In der Passage wird der höchste Grad der Versammlung und der Kadenz im Trab erreicht. Die in der Fußfolge des Trabes energisch vom Boden abfedernden Beinpaare halten die Schwebephase länger aus. Die Unterarme werden wie bei der Piaffe bis zur Waagerechten angehoben, die gebeugten Hanken gut herangeschlossenen Hinterbeine federn die Last taktmäßig fleißig und gerade nach vorwärts aufwärts ab.‘
Leider wird diese Trabbewegung mittlerweile mehr als Show geritten und dadurch entstehen folgende Fehler:
- starke Belastung der Vorhand, dadurch nach hinten ziehendes Vorderbein in der Luft
- Verzögerung der Hinterhand in der Luft, dadurch kreisartige Bewegungen
- der Hinterhuf wird nicht bodenparallel sondern nach hinten ersichtlich
- die typische Bogenbewegung der Beinpaare ist unterbrochen
Bei der Betrachtung des Reiters, ist keine Trabbewegung, sondern durch starke Taktfehler eine Galoppbewegung zu erkennen. Durch die Animation wird sehr gut ersichtlich, welche Fehler in der Ausbildung gemacht wurden. In der Zeitlupe war genau zu erkennen, was nicht korrekt läuft.
Sechs Araberhengste betreten mit Jana Mandana die Manege. Unausgebunden können die Pferde ihre Hengstmanieren nicht voll unter Kontrolle halten. Jana Mandana erklärt das Training mit den Hengsten. Diese kommen aus Marbach. Als sie fragt ob jemand von Marbach hier ist, legt sich der erste gleich mal hin und verursacht dadurch Chaos. Kurze Anweisung von Jana Mandana und jeder der Herren ist wieder auf seinem Platz. So eine Hengstherde in den Griff zu bekommen, erfordert sehr viel Beobachtungsgabe und gezieltes Eingehen auf jedes einzelne Pferd.
Ein paar Runden im Trab zu zweit nebeneinander, drehen, wechseln und zum Schluss demonstriert sie die Steigearbeit mit einem ihrer jungen Araberhengste. Senkrecht steht dieses Tier nun vor ihr. Niemals darf daraus ein Angriff werden. Bevor er die Manege verlässt muss er noch eine Volte gehen, dies gehört dazu, um nicht auf die Idee zu kommen, einfach so zu verschwinden. Nach der Pause betritt Jana Mandana nochmals mit 10 schwarzen Pferden die Manege und zeigt verschiedene Choreographien der Pferdedressur. Diesmal sind die Hengste locker ausgebunden und können dadurch nicht ihren Vordermann zwicken. Harmonisch traben diese neben, gegen und miteinander durch die Manege. Am Ende darf ein Perlinohengst in die Manege. Er steigt senkrecht in die Luft, springt und läuft auf zwei Hinterbeinen. Dieses verlangt sie aus Sicherheitsgründen nur von Pferden, die nicht geritten werden.
Elisabeth Albescu, Fachtierärztin für Chiropraktik (A), übernimmt danach den anatomischen Teil der Veranstaltung und erläutert anhand der Kiefergelenke wie wichtig die Kaubewegung beim Reiten ist. Diese sollte auf keinen Fall unterbunden werden. Auch gibt es mittlerweile eine Petition die ein strengeres Reglement verlangt, um eine bessere Kontrolle der Sperr-Riemen durchzuführen. Vor dem Turnierstart sollte überprüft werden, wie eng die Riemen verschnallt sind.
Nun schließt sich der Kreis zwischen Zirkus und klassischem Reiten. Pao ein 21 jähriger Schimmelhengst tanzt mit Anja Beran im Sattel und einer Tänzerin zu live gesungener Musik aus dem Musical West Side Story. Dieses verbindet wieder in einzigartiger Weise Pferd, Mensch, Gesang und Kunst.
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