Einmal überbaut, immer überbaut?

Wie alle Kaltblüter hat auch mein Pferd Asterix ein Exterieur, das zum Reiten nicht ideal ist. Was den meisten vermutlich sofort auffällt, ist seine überbaute Hinterhand. Als ich daher gesehen habe, dass Loesdau das neue Buch von Barbara Welter-Böller und Claudia Weingand mit dem Titel „Einmal überbaut, immer überbaut“ ins Sortiment aufnimmt, war mir direkt klar: Dieses Buch muss ich dringend lesen.

Das Buch gibt einen guten Gesamtüberblick zum Exterieur und über viele Exterieurprobleme. Es beginnt mit einer allgemeinen Darstellung verschiedener Pferdetypen. Der Theorieteil ist sehr umfassend, die Grundlagen kommen nicht zu kurz. Für jedes Problem werden die entsprechenden Muskelgruppen besprochen und erklärt. Am Ende hat der Leser einen kompletten Überblick über die wichtigsten Muskeln des Pferdes und deren Funktion. Außerdem bekommt er Informationen, wie durch gezieltes Training über die Muskulatur das Skelett beeinflussbar ist. Im hinteren Teil des Buches gibt es einige Fallbeispiele, mit denen der Leser den Blick schulen kann.

Claudia Weingand ist osteopathische Pferdetherapeutin nach Welter-Böller und hat zusätzlich noch eine Weiterbildung zum OsteoConcept-Coach absolviert. Sie ist Longieren-als-Dialog-Trainer nach Katharina Möller und gibt mit ihrem umfassenden Wissen über Anatomie und Trainingslehre deutschlandweit Unterricht.

Barbara Welter-Böller und Claudia Weingand (rechts) am Pferd. Bild: Britta Mauser¹

Um euch einen tieferen Einblick ins Buch zu geben, habe ich Claudia Weingand einige Fragen gestellt:

Was war deine Motivation, dieses Buch zu schreiben?

Das Thema Exterieur fand ich bis vor einigen Jahren gar nicht so wahnsinnig spannend. Ich dachte, dass das eher für Züchter relevant ist. In meiner Ausbildung zur osteopathischen Pferdetherapeutin bei Barbara Welter-Böller hatte ich dann aber grandiose Aha-Erlebnisse. Diese wollte ich mit anderen Reitern teilen. Barbara sah das zum Glück genauso. Deswegen haben wir uns dazu entschieden, das Buch zu schreiben. In erster Linie sollte es den Pferden helfen: Exterieur ist nämlich etwas sehr Lebendiges. Es verrät mir sehr viel über den Trainingszustand, die seelische Verfassung und auch über das Equipment und die Vorgeschichte des Pferdes. Außerdem gibt es Warnsignale, die auf verschleißendes Training hindeuten. Wer sie kennt, kann Pferde vor Sehnenschäden etc. bewahren.

Im Buch ist von verschiedenen Pferdetypen die Rede. Was für Typen gibt es und wie unterscheiden sich diese grob im Exterieur?

Ganz grob zusammengefasst gibt es zwei Haupttypen: den lateralen Typ, dem z.B. das Kaltblut entspricht und den linearen Typ, der etwa vom englischen Vollblut verkörpert wird. Es wäre unfair, einem Kaltblut vorzuwerfen, dass ihm Trab- und Galopparbeit nicht so leichtfallen. Es hat viel Muskelmasse und ist auf Schrittarbeit und das Ziehen von Lasten spezialisiert.

Mein Pferd Asterix verkörpert als Kaltblut den lateralen Pferdetyp.

Der lineare Typ ist filigraner, hat lange Röhren und eine hohe Faszienspannung. So ein Pferd nutzt den sogenannten Katapulteffekt für das Fortbewegen im Trab und Galopp: die Beugesehnen werden gedehnt und federn quasi ohne Kraftaufwand zurück. Was so ein Pferd schlecht kann, ist große Kraft entfalten. Niemand nutzt einen Vollblüter z.B. zum Holzrücken. Natürlich gibt es dann noch diverse Mischtypen, das ist im Buch genauer erklärt.

Das Vollblut Eclipse steht für den linearen Pferdetyp. Gemälde: George Stubbs, gemeinfrei¹

Wie muss ich mein Pferd aufstellen, um es zu beurteilen? Worauf muss ich achten?

Wir bevorzugen, die Pferde geschlossen aufgestellt zu beurteilen. Bei der offenen Aufstellung ist immer ein Hinterbein vor- und immer ein Vorderbein rückständig. Stelle ich ein Pferd geschlossen auf, es präsentiert sich aber auf jedem Bild mit einem dezent rückständigeren linken Vorderbein, sagt mir das viel über seine Schiefe und evtl. Kompensationsmuster. Auch ist gut, dem Pferd Mähne und Schweif einzuflechten, damit ich ungleiche Bemuskelung der Halsseiten oder auch der Hinterbeine erkennen kann. Ebener, fester Boden ist auch nötig für eine korrekte Beurteilung.

Für die Exterieuranalyse sollte ein Pferd wie hier zu sehen geschlossen aufgestellt werden. Foto: Jens Kerick¹

Was sind die häufigsten Exterieurprobleme?

Sehr häufig ist tatsächlich die Rückständigkeit. Fällt ihr ein Lot vom Buggelenk des Pferdes ausgehend, sollte das Lot die Zehe treffen. Steht das Bein weiter hinten, ist das Pferd rückständig. Das wird verursacht von einem verspannten breiten Rückenmuskel. Der verspannt, wenn der Sattel nicht passt, der Reiter zu oft oder zu lange reitet oder das Pferd zu sehr im Rahmen begrenzt. Oder das Pferd hat noch keine Schubkraft entwickelt und zieht sich mit der Vorhand nach vorn. Leider ist Rückständigkeit kein reiner Schönheitsfehler: In dieser Stellung werden Beugesehnen, Fesselträger und die Strukturen, die zur Hufrolle gehören, dauerhaft zu stark belastet. Schäden an diesen Strukturen werden wahrscheinlicher.

Dieses Pferd steht rückständig. Bild: Rolf Kosecki¹

Ein weiteres Problem ist, wenn ein Pferd überbaut ist. Das kann durch mehrere Dinge verursacht werden. Zum Beispiel ist es möglich, dass das Pferd einen zu schwachen Rumpftrageapparat hat. Der Rumpftrageapparat hängt den Rumpf des Pferdes zwischen den Vorderbeinen auf. Hauptmuskel wäre der Sägemuskel, der M. serratus ventralis. Ist er schlecht trainiert, sinkt der Widerrist zwischen den Schulterblättern ein, das Pferd wirkt hinten höher. Schlecht an einem schwachen Rumpfträger ist, dass dessen stoßdämpfende Wirkung dann nicht eintritt und das Rumpfgewicht des Pferdes in Bewegung quasi ungebremst ins Fesselgelenk kracht. Das könnt ihr sogar hören, da diese Pferde stampfen. Leidtragend sind neben dem Fesselgelenk wieder Beugesehnen, Fesselträger und Hufrolle.

Dieses Pferd ist überbaut. Bild: Britta Mauser¹

 

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Das Gewinnspiel ist beendet!

Viel Glück!

(¹alle Bilder mit freundlicher Genehmigung vom Müller-Rüschlikon-Verlag)

Thea

Über Thea

Schon als Kind hatte ich nichts anderes als Pferde im Kopf. Trotzdem musste ich einige Jahre betteln, bis meine Eltern mir die ersten Reitstunden erlaubten. Ab diesem Zeitpunkt war es restlos um mich geschehen. So oft ich konnte verbrachte ich meine Zeit im Stall. So wunderte es keinen, dass ich später eine Lehre zur Pferdewirtin machte. Mit 19 erfüllte ich mir meinen größten Traum und kaufte meine Reitbeteiligung, ein damals 12-jähriges rheinisch-deutsches Kaltblut. Asterix hatte noch keinerlei dressurmäßige Ausbildung genossen und ich bildete ihn selbstständig aus. Gehörten früher intensive Dressurarbeit, Ausritte, kleinere Sprünge und viel Bodenarbeit zu den Dingen, die Asterix und ich gerne gemacht haben, so stehen heute altersbedingt eher gemütliche Ausritte, Bodenarbeit und lockere Übungen auf dem Platz auf dem Programm, denn: wer rastet, rostet!

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