Meine erste Reitstunde und wie es dazu kam, ist echt eine Story wert. Ich fing bei Loesdau zu jobben an, während ich abends noch zur Schule ging, um nebenher etwas Geld zu verdienen. Vorher hatte ich keinen Bezug zu Pferden. Bei Loesdau wird aber viel über Pferde gesprochen und so lauschte ich den Erzählungen von den Abenteuern beim Ausreiten, Errungenschaften bei den Turnieren und über das persönliche Wachstum mit den behuften Freunden. Mein Interesse wuchs allmählich und irgendwann wollte ich es ausprobieren. Ich entschied mich für das Westernreiten, weil ich die Hüte mag, gerne lässige Flanellhemden trage und so gut wie immer Jeans anhabe. Der Stil der Cowboys war meinem ähnlich. Also vereinbarte ich eine Reitstunde.
Meine erste Reitstunde rückte näher und als ich zum ersten Mal durch das knarrende Tor des Stalls ging, beobachtete ich Schwalben, die geschäftig umherflogen und zwitscherten. Es machte den Stall lebendig. Als Waldspaziergänger erkannte ich dort eine mir vertraute Melodie. Der Duft von Stall und Pferd stieg mir in die Nase. Ich mochte diese ländliche Prise. Ich fühlte: Das ist ein Ort, der mit der Natur im Einklang steht. Da wartete auch schon die Reitlehrerin mit einem gesattelten Pferd auf mich. Mir war etwas mulmig bei dem Gedanken, mich auf ein 600 kg Riese namens Wally zu setzten. Ein großes braunes Auge mit rechteckigen Pupillen musterte mich. Eine neugierige Nase schnüffelte an meinem Handrücken. Das Pferd strahlte Ruhe aus und war völlig entspannt, was mich auch irgendwie entspannte. Meine erste Reitstunde konnte also beginnen.
Dann führte ich Wally in die Halle, in der wir eine Runde über den Boden aus Sand liefen. An den Wänden waren Buchstaben angebracht und ein schwarzer Punkt. Bemalte Stangen lagen scheinbar angeordnet in einer der Hälften in der Halle rum. Wir stoppten an zwei hölzernen Kreuzen, die einen Balken trugen. Reiter nennen das Teil Cavaletti. Ich sollte es als Aufstiegshilfe verwenden.
Ein Schuh im Steigbügel, das Bein schwang über den Sattel und schlüpfte in den zweiten. Ich hielt die ledernen Zügel in der Hand. Es folgte die Anweisung für den Vorwärtsgang: “Hand nach vorne, Fersen tief, Waden kurz ans Pferd und schnalzen!“ Das Pferd fing an vorwärtszulaufen. Ich dachte die Zügel sind das Lenkrad der Pferde, aber als ich diese nach links bewegte und das Pferd trotzdem geradeaus lief, merkte ich, dass das mit dem Abbiegen anders funktionierte. Gleich darauf wurde mir erläutert, dass der Zügel allein nicht ausreicht. Entscheidend sei, dass mit dem Bein ein Impuls gesetzt wird. Trotzdem liefen wir unkoordiniert umher. Wir hatten die Halle für uns und somit die Freiheit hinzusteuern, wo mein ungeübter Fuß uns hintrieb. So langsam verstand das Pferd, was ich ihm versuchte, mitzuteilen und wir packten es wieder auf den Hufschlag.
Die Lehrerin erklärte mir, wie ein Pferd die Bewegung des Reiters wahrnimmt. Wenn nur mein Blick in eine bestimmte Richtung geht, in die ich reiten möchte, versteht das Pferd schon mit dieser minimalen Ausrichtung der Hüfte, wo es hingehen soll. Manchmal erweckt das noch heute in mir den Eindruck, als könnte das Pferd meine Gedanken lesen. In diesem Moment erfasste mich die Faszination für das Reiten in seiner ganzen Tiefe. Es war nicht nur im Sattel sitzen und das Pferd macht den Rest, wie ich anfangs dachte. Ich erkannte für mich, dass Reiten eine Sprache ist, die es möglich macht, mit einem Wesen zu kommunizieren, das keine Worte kennt, mich aber dennoch sehr gut versteht. Diese Sprache wollte ich lernen.
So begann meine Reise in die Welt des Reitens, mit vielen Entdeckungen und Eindrücken. Ich bin gespannt, welche Erkenntnisse und Fertigkeiten ich noch lernen werde, auf meinem Weg mit den Pferden.
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