Jessica Kiefer erkundete Sardinien auf dem Rücken gut trainierter Pferde. Die vielseitige Landschaft, die Einsamkeit der Bergwelt, der traumhafte Mittelmeerstrand sowie die atemberaubenden Ausblicke haben sie begeistert. Erfrischende Galoppaden gehörten zu den Highlights der Reise auf der malerischen Insel im Mittelmeer, auf der das Reiten und die Pferdezucht eine lange Tradition haben.
Ein Reisebericht von Jessica Kiefer / PEGASUS Internationale Reiterreisen
36,7 km/h Höchstgeschwindigkeit – Reitführer Markus ist für den ersten Reittag ganz zufrieden, „das steigern wir aber noch“. Sein GPS ist der ständige Begleiter von Markus, damit misst er die Tagesetappen, die Höhenmeter und eben die Geschwindigkeit im Galopp. Am Ende des ersten Reittages erhalten wir 5 Teilnehmerinnen die Bestnote: 10 von 10 Punkten. Wir finden das sehr lustig und geben uns alle Mühe den guten Start fortzusetzen. Dazu bedarf es zu Beginn ein wenig Disziplin, denn die extrem gut trainierten Pferde warten nur darauf, dass es wieder losgeht und so reiten wir erstmal brav in der Abteilung bis sich alle Reiter und Pferde aneinander gewöhnt haben. Die Pferde sind spritzig, unglaublich leistungsbereit, aber auch gut zu handeln und so haben wir alle sehr viel Freude an unseren vierbeinigen Partnern. Dabei ist die Gruppe bunt gemischt: ein Lewitzer, zwei Lewitzer-Warmblutmixe, ein Appalosa, ein Anglo Araber und ein Anglo-Araber-Mix sind mit dabei.
Auch haben wir vom Rotschimmel bis zum Rappen von jeder Farbe eines mit. Die kunterbunte Truppe bietet für jeden Geschmack das Richtige. Besonders munter ist der 17-jährige Lewitzer, der zu Beginn zweimal einfach weitergaloppiert, als alle bereits wieder im Schritt sind. Auch seine Reiterin amüsiert sich prächtig, da der unermüdliche kleine Schecke dabei nicht unkontrolliert durchgeht, aber er findet wohl die Galoppstrecken einfach zu kurz. Überhaupt merkt man den Pferden an, dass ihnen die harte Arbeit richtig Spaß macht: Auch die steilsten Berge nehmen sie mit Leichtigkeit. Berge gibt es allerdings viele und so ist der Ritt geprägt von einem ständigen Auf und Ab, immer wieder genießen wir dabei eine grandiose Aussicht über die einsamen Berge und bis hinunter zum Meer und den vorgelagerten Inseln.
Die ersten beiden Tage sind besonders bergig: Vom Reiterhof, der auf ca. 100 m ü. M. liegt, geht es in zwei Tagen auf gut 800 m hinauf. Dabei führt die Strecke keineswegs stetig bergauf, sondern es geht immer wieder auf und ab durch blühende Wiesen, Sträucher und lichten Tannenwald. Besonders schön blüht der wilde Lavendel, der die komplette Reittour über unsere Wege säumt. Die Vegetation ist beeindruckend: Neben dem violetten Lavendel reiten wir durch Ginster, Erdbeerbäume, Kakteen, Wildrosen, Margeriten, Mohn, Kiefern und Zypressen, um nur einige wenige Pflanzen aufzuzählen.
Im Frühling ist die Temperatur ideal und die Landschaft wunderbar grün. Zahlreiche Bäche durchziehen das Land und des Öfteren durchqueren wir diese auch. Wasser und Gras ist für die Pferde zu dieser Jahreszeit üppig vorhanden. Auch eine Landschildkröte treffen wir auf unserem Weg, schnell verzieht sie sich unter ihren Panzer.
Unser erstes Ziel ist Sa Serra ein winziges Bergdorf in der Provinz Olbia-Tempio. Rund um den Ort treffen wir auf Rinder, Schweine und Schafe, die auf den riesigen grünen Weiden umgeben von uralten Steinmauern ein würdiges Leben verbringen. Im Nachbardorf Ludurru möchte man uns Reiterinnen gern auf ein Glas Vino einladen, doch Markus lehnt ab, da so etwas allzu schnell ausartet und den Zeitplan zu sehr durcheinander bringen würde.
Am folgenden Tag reiten wir weiter hinauf nach Mamone, das auf einer schönen grünen Hochebene mit riesigen Wiesen und Wald liegt. Die schönen Forstwege laden erneut zu ausgelassenen Galoppaden ein. Nach ca. 6 Stunden Ritt erreichen wir schließlich den Agriturismo von Pigozi, einem Freund von Markus und ebenfalls ein begeisterter Reiter. Auf seiner idyllischen Farm leben Pferde, Esel, Rider, Schafe, Schweine, Hunde und Katzen, ein richtig schöner Bauernhof! Die meisten Tiere sehen wir allerdings nicht, denn sie leben draußen auf den riesigen Wiesen. Bei Pigozi verbringen wir zwei Nächte. Besonders schätzen wir das Kaminfeuer, denn es pfeift ein ordentlicher Wind, der uns von einem Aufenthalt auf der Terrasse trotz eigentlich schönem Wetter abhält.
Am dritten Tag unternehmen wir einen schönen Rundritt auf der Hochebene bis zur Nuraghe Loelle, eine der etwa 4.000 noch erhaltenen Ruinen aus der Zeit der Nuragher (ca. 1600–400 v. Chr.). Die Turmbauten waren vermutlich Versammlungsstädten, vielleicht eine Art Tempel, sicher weiß man dies jedoch nicht.
Rund um Loelle steht ein großer Wald von Korkeichen, den wir durchreiten. Viele Rinder und Schafe leben hier den ganzen Sommer über wild. Außerdem treffen wir auf eine niedliche Pferdefamilie bestehend aus Hengst, Stute und Fohlen, drei braune Prachttiere von sardischen Anglo Arabern. Der Hengst mustert uns kurz, wir halten an und scharen uns hinter Markus auf seinem groß rahmigen Appalosa. Zum Glück ergreift die Pferdefamilie gleich die Flucht, ein wenig mulmig wird uns schon angesichts des stolzen Hengstes. Erst später fällt mir ein, dass ich auch noch auf einer rossigen Stute saß. Die ist übrigens ebenso schick, ein typischer Anglo Arabo Sardo, anmutig und mit der richtigen Dosis an Temperament.
Weiter geht es durch die urigen Korkeichen, aus denen die Sarden allerlei Dinge herstellen, von Tabletts bis hin zu Stühlen. Sehr angenehm ist das geringe Gewicht dieser Gegenstände. Bei der Loelle angekommen erwartet uns Pigozi schon mit einem Feuer. Ausnahmsweise vertritt er heute Markus Frau Susi, die uns sonst mit grandiosen Picknicks mit leckeren Spezialitäten verwöhnt. Bei Pigozi fällt das spontan arrangierte Mittagessen sehr sardisch und rustikal aus: Typisches hauchdünnes Fladenbrot, Wust und dreierlei Käse. Außerdem hat er auch die Getränke nicht vergessen und serviert einen kräftigen Rotwein und Grappa zum Essen. Alles ist von seinem Hof hausgemacht, und richtig lecker. Den Käse schmilzt er für uns am Lagerfeuer, die sardische Variante des Schweizer Raclettes. Gut gestärkt und auch ein bisschen angeheitert geht es im flotten Tempo weiter durch den Eichenwald. Das letzte Stück zurück führt schließlich über saftige Wiesen mit herrlicher Aussicht auf das Kalksteinmassiv des Monte Albo. Die Kulisse ist beeindruckend und vor allem auch unerwartet, denn plötzlich fühlen wir uns in die schottischen Highlands versetzt.
Die Pferde verbringen die Nacht auf großen Weiden, die besonders grünen Obstwiesen sind jedoch tabu, nachdem sich unser Lewitzer beim ersten Ritt statt am Gras an den Kronen der jungen Obstbäume bediente… Am folgenden Tag geht es erstmal bergab durch idyllisches Weideland. Zu unserer Linken ragen steil die Berghänge empor. Am Fuße dieser Berge treffen wir auf ein verwaistes Kloster, das lediglich einmal im Jahr als Pilgerort von den Bewohnern der Bergdörfer aufgesucht wird.
Nach dem langen Abstieg geht es nun wieder bergauf und bergab durch ein extrem einsames Gebiet, dessen Name dieser Abgeschiedenheit Ausdruck verleiht: Übersetzt bedeutet es so viel wie „die vergessene Gegend“. Während wir an den steilen Berghängen entlang reiten, genießen wir eine fantastische Aussicht auf die bewaldeten Berge und die tiefen Schluchten dazwischen. In dem breiten Flusstal zu unserer Rechten ist weit und breit kein Anzeichen irgendeiner Besiedlung zu sehen. Ein perfektes Rückzugsgebiet für Wildtiere, die jedoch so scheu sind, dass man sie praktisch nie zu Gesicht bekommt. Lediglich drei Esel und ein paar Rinder treffen wir bei unserem langen Ritt bis zum Tepilora an. Der Tepilora ist ein markanter Berg, dessen Spitze aus gezackten Felsen besteht. Zusammen mit den Eichen am Fuße des Massivs ergibt sich ein perfektes Fotomotiv. Hier kreuzt im Galopp plötzlich eine Hirschkuh unseren Weg, ein extrem seltener Anblick, der die Pferde kurz etwas aus der Fassung bringt. Es passiert aber nichts und so reiten wir noch die letzten Meter zum Picknickplatz am Fluss hinunter. Nach dieser langen Etappe freuen wir uns besonders, als wir Susi und den roten VW-Bus sehen, das Picknick wartet! Wir genießen wieder getrocknete Tomaten, Oliven, Schinken, Käse, Trauben und viele andere Leckereien.
Nach dem Mittagessen geht es nun wieder steil bergauf, sehr steil. Wir beschließen, die Pferde etwas zu entlasten und führen sie ein Stück. Manchmal sind wir dabei den fitten Pferden, die auf ihren vier Beinen deutlich besser vorankommen, so eher eine Last, aber es ist zumindest gut gemeint… Der Aufstieg wird belohnt durch eine beeindruckende Aussicht auf den Tepilora, der von oben betrachtet zwischen den anderen Bergen allerdings gar nicht mehr so riesig aussieht. Oben angekommen sind wir ziemlich aus der Puste und die Pferde, die teils noch einen Rest Winterfell haben, nass geschwitzt. Nach einer kurzen Pause von 5 Sekunden geht es gleich weiter über einen nun ziemlich ebenen Höhenweg. Ich bin verblüfft, da wir den Pferden nach kürzester Zeit überhaupt nichts mehr von der Anstrengung anmerkt. Munter wie zuvor schreiten sie voran. Besonders schön ist auf dem Weg ein riesiges gelbes Margaritenfeld, das wieder für ein tolles Fotomotiv sorgt: Blumen bis zum Horizont!
Bald erreichen wir unser nächstes Ziel, einen weiteren Agriturismo in einsamer Lage auf einer Hochebene. Leider gibt es hier keine Weiden für uns, so dass die Pferde eine Nacht angebunden verbringen. Bisher verlief dies auch immer völlig problemlos. Diese Nacht ist jedoch unser eifrigster Wallach trotz einer wirklich anstrengenden und langen Tagesetappe nicht gerade müde und reißt sich los, um den Stuten das Futter streitig zu machen. Eigentlich schlafen Susi und Markus diese Nacht sicherheitshalber immer bei den Pferden, doch unser Spezialist ergreift die Gelegenheit als wir alle zu Abend essen. Das Ergebnis ist eine Schlägerei mit einer Stute, die daraufhin leicht lahmt. Dem Wallach ist dagegen nichts anzumerken und so wird am nächsten Morgen nur die Stute getauscht. Das Tauschpferd ist Susis 28-jährige Anglo-Araber-Stute, die in der Umgebung zum Glück gerade die Wiese eines Freundes abweidete. Die gut trainierte, unermüdliche Stute ist von ihrem ungeplanten Arbeitseinsatz offensichtlich ganz begeistert und läuft fröhlich mit.
Die Etappe ist gegen die vergangenen Tage recht einfach: Über breite Forstwege geht es zwischen den typischen Felsformationen sanft bergauf bis wir den letzten hohen Punkt im Wald erreichen. Von hier aus wird unser Weg stetig bergab bis an die Küste führen. Der Abstieg ist jedoch sehr sanft: Zunächst schlängelt sich der Weg entlang einem hohen Berg, wo der Lavendel und der Ginster besonders üppig stehen. Dazu genießen wir eine herrliche Aussicht über die Berge und bald auch aufs Meer. Schließlich erreichen wir ein kleines Dorf, das völlig verlassen scheint, nur ein paar wenige Hunde melden unsere Ankunft. Hier machen wir Rast und verputzen unser Satteltaschenpicknick.
Susi wird uns später mit süßen Teilchen und Sekt am Weg aufwarten. Kurz vor dem Mittagessen beginnt der bis dato völlig eifrige Wallach, der sich in der Nacht losgerissen hatte, im Trab zu lahmen. So ein Pech! Die Gegend ist wie viele in Sardinien völlig frei von Handyempfang. In diesem Fall etwas unpraktisch, so bleibt uns nicht anderes übrig, als den Wallach, der im Schritt zum Glück noch ganz gut läuft bis zur nächsten Unterkunft mitzuführen. Seine Reiterin besteht darauf, selbst zu gehen und so führt sie ihr liebgewonnenes Tourenpferd ca. 12 km zum Ziel. Leider fällt der geplante letzte Strandritt gegen Abend ins Wasser, denn wir nehmen natürlich den kürzesten Weg. Unterwegs genießen wir nichts desto trotz die tolle Aussicht ins Tal und auf den See Lago di Posada. Der letzte Abstieg führt noch einmal durch ganz besonders üppig blühende Wiesen. Erst zum Schluss werden die anderen Pferde langsam ein bisschen ungeduldig, schließlich sind sie ein deutlich höheres Tempo gewohnt und zeigen gelegentlich an, dass sie bereit wären für einen kleinen Trab. Sie sind jedoch gut zu kontrollieren und so kommen wir schließlich alle langsam, aber sicher ans Ziel. Unsere heutige Unterkunft ist sehr stilvoll, was mein Pferd jedoch nicht zu schätzen weiß: Sie findet es sichtlich blöd, in einer schicken Gitterbox im Reitstall zu übernachten. Jedenfalls besteht da keine Gefahr von weiteren Ausbruchmanövern.
Nach einer heißen Dusche treffen wir uns im Hinterhof zum Abendessen. Wohl wissend, dass wir nach den Tagen in den Bergen des Fleischessens müde sein würden, serviert uns unsere Gastgeberin ein leckeres vegetarisches Menü mit Pasta und Suppe. Anschließend fallen wir alle wieder glücklich und müde ins Bett.
Der letzte Reittag! Nachdem nun auch der lahme Wallach gegen einen anderen getauscht wurde, kann es losgehen in Richtung Strand. Ein kurzes Stück an der Strasse mit Blick auf Posada mit seiner Burg und dem dahinterliegenden Monte Albo Massiv führt uns zur Flussmündung des Riu Mannu, unweit des Strandes. Bevor es ans Meer geht, dürfen wir aber noch einmal klettern, es geht sehr steil einen hohen Hügel hinauf, den wir mit einem Anlauf im Galopp bezwingen. Die Aussicht von oben ist herrlich: vor uns liegt das weite türkis-blaue Meer mit der Insel Tavolara, während sich zur anderen die grünen Berge erstrecken. Der Abstieg auf der anderen Seite erfolgt auf einem kaum erkennbaren Trampelpfad, der quer durch die Ginsterbüsche führt. Nach einem abenteuerlichen Querfeldein gelangen wir auf einen breiten Pfad, der oberhalb der Küste durch einen üppigen Blumenhain führt. Hier erwartet uns wieder ein flotter Galopp. Weiter geht es durch die flachen Dünen und schließlich direkt ans Meer.
Vorbei am Sarazenenturm von Posada folgen wir dem weißen Sandstrand. Da der Himmel zunächst stark bewölkt ist, sind nur sehr wenige Leute am Strand und wir genießen auch ein paar schöne flotte Galoppaden. Zwischendurch wartet Susi noch mit dem Picknick unter den schattigen Pinien direkt am Meer. Wenigstens die Füße strecken wir hier mal kurz ins Wasser, für ein Bad ist es noch etwas frisch. Dafür reißt auf den letzten Kilometern am Strand noch die Wolkendecke auf und lässt die Sonne für uns scheinen. Ein perfekter Abschluss!
Am späteren Nachmittag treffen wir den Pferdehänger und das Begleitfahrzeug und wir fahren zurück zum Hof. Vor dem Abendessen versorgen wir die Pferde und verteilen auch noch Streicheleinheiten an Katze, Hund, Esel und Shettis. Susi zaubert noch einmal ein superleckeres Abendessen mit über zehn verschiedenen Antipasti für uns und so klingt der letzte Abend gemütlich im Reiterstübchen aus. Am nächsten Tag geht es für alle Teilnehmerinnen schon morgens zum Flughafen Olbia, der nur ca. 20 Minuten entfernt ist. Mit zurück nehme ich neben ein paar Muscheln und einem duftenden Lavendelzweig viele unvergessliche Erlebnisse und Eindrücke von dieser traumhaft schönen Insel, wahrhaft ein (Reiter-)Paradies im Mittelmeer.
Infos zur Reittour: Baronia-Trail: Sardinien vom Sattel aus erkunden
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