Klassische Handarbeit: Teil 1 – Von der Ausrüstung bis zur ersten Übung

Die klassische Handarbeit ist eine sinnvolle Gymnastizierung für Pferde. Sie ist nicht nur eine gute Vorbereitung für neue Lektionen, sondern sorgt vor allen Dingen für Abwechslung und Spaß während der Wintermonate. Nicht nur die Pferde profitieren von der Handarbeit, auch die Reiter gewinnen eine genaue Vorstellung über Lektionen und deren Hilfen. Julia aus Loesdaus Kundenservice hat mit ihrem Pferd Corday lange trainiert. Heute ist Corday an der Hand sowie unter dem Sattel ein absolutes Verlasspferd. Er beherrscht alle Lektionen bis hin zur Piaffe und Passage sicher. Das war ein jahrelanger Prozess. Julia hat während dieser Zeit mit verschiedenen Trainern zusammengearbeitet. Ihr Wissen und ihre Erfahrungen möchte sie euch in dieser mehrteiligen Serie zur klassischen Handarbeit weitergeben. Viel Spaß mit Julia und Corday bei Teil 1!

Klassische Handarbeit ist eine sinnvolle Gymnastizierung. Julia und ihr Pferd Corday sind inzwischen richtige Profis.

„Ich bin vor einigen Jahren zufällig auf die Handarbeit gestoßen. Mein Pferd Corday und ich hatten einige Wochen keinen Sattel und ich wollte nicht ständig nur longieren oder spazieren gehen. Daraufhin habe ich beschlossen ihn etwas an der Hand zu arbeiten, um ihn einfach auch in dieser Pause zu gymnastizieren. Ich selber hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch nie jemanden sein Pferd an der Hand arbeiten sehen und musste mich selbst komplett einarbeiten. Corday war immer schwierig zu reiten, ich hatte nie den Schlüssel gefunden, mit ihm zu kommunizieren. Im Nachhinein beurteilt, hatte er mich einfach nicht verstanden. An der Hand war er allerdings ganz anders. Er war unheimlich konzentriert und lernwillig. So konnte ich ihm erstmals rückwärts und seitwärts näherbringen. Bis zu diesem Zeitpunkt unter dem Sattel undenkbar. Als er die Übungen an der Hand sicher beherrschte, war es ein Kinderspiel diese im Sattel zu erarbeiten.

Ausrüstung für die klassische Handarbeit

Für die Handarbeit braucht ihr nicht viel Ausrüstung. Eine normale Trense, die ihr auch zum Reiten verwendet. Ich benutze am liebsten glatte Lederzügel, damit diese nicht in der Mähne hängen bleiben. Mein Pferd bekommt an allen Beinen einen Beinschutz. Wobei ich für die spätere Touchierarbeit an den Hinterbeinen den Beinschutz zunächst weglasse, um den optimalen Touchierpunkt zu finden. Bei Corday kenne ich mittlerweile die Touchierpunkte und es genügt, wenn ich die Gerte nur in die Richtung zeige.  Ich selbst trage Reithandschuhe und Schuhe, in denen ich gut laufen kann. Für die Arbeit an der Hand benutze ich hauptsächlich eine lange Dressurgerte (130 cm) und für die Touchierarbeit eine Touchierpeitsche.

Lederzügel, die sich nicht in der Mähne verfangen und eine Dressur- bzw. eine Touchiergerte gehören zur Ausrüstung der klassischen Handarbeit.

Nicht zu vergessen ist das Lob. Sicher muss es nicht immer Futter sein. Manche Pferde werden bei Futter extrem aufdringlich und lästig. Teilweise verschlechtert sich die Konzentration, weil sie nur noch auf das Futter fixiert sind. Diese Pferde sollten dann mit Stimme und Streicheln gelobt werden. Falls es aber doch Futterlob sein soll, empfehle ich die Wiesen-Chips von Marstall. Diese kann man bedenkenlos in größeren Mengen füttern. Zwischendurch füttere ich auch ganz gerne ein paar Hagebutten als gesunde Leckerlis. Grundsätzlich lobe ich jeden noch so kleinen Fortschritt, um das Pferd zu motivieren und bei Laune zu halten. Ich muss mich immer stark darauf konzentrieren, wirklich jeden kleinen Fortschritt zu belohnen.

Konzentriert euch darauf, jeden kleinen Fortschritt zu belohnen.

Grundsätzliches zur Hilfengebung

Die vorherrschende Hilfe beim Reiten ist die Gewichtshilfe, die durch Schenkel-  und Zügelhilfe ergänzt wird. Für die Arbeit an der Hand fallen die Gewichts- und Schenkelhilfen weg. Die vorherrschenden Hilfen an der Hand sind die Körperhaltung, ergänzt durch Zügel-, Gerten- und Stimmhilfe. Je deutlicher ich dem Pferd mit meinem Körper zu verstehen gebe, was ich von ihm möchte, umso geringer ist der Einsatz der Gerten- und Zügelhilfe. Dies ermöglicht eine feine Kommunikation. Wenn der Reiter eine genaue Vorstellung von den Lektionen hat und exakt weiß, wie eine Übung aussehen soll, umso besser kann er sich seinem Pferd verständlich machen.  Zusätzlich unterstütze ich mein Pferd durch klare Stimmkommandos. Mit einem Schnalzgeräusch animiere ich das Pferd anzutreten bzw. fleißiger zu gehen. „Brrr“ bedeutet langsamer zu gehen. Mit „Halt“ leite ich das Halten ein und „back“ ist das Kommando für Rückwärts. Welche Kommandos ihr letztendlich benutzt, bleibt euch überlassen. Wichtig ist nur, dass die Kommandos nicht willkürlich benutzt werden, sondern für das Pferd klar zu verstehen sind.

Los geht´s: Aller Anfang ist…kurz

Bevor ich mit einer Trainingseinheit an der Hand beginne, gehe ich meist ein kleine Runde spazieren und longiere anschließend. Damit sind die Pferde optimal aufgewärmt. Die ersten Trainingseinheiten sind noch sehr kurz – circa fünf bis zehn Minuten. Die Pferde müssen diese Arbeit erst kennen lernen. In der Anfangszeit trainiere ich alle zwei bis drei Tage allerdings nur kurze Einheiten. Die kurzen Traniningseinheiten kombiniere ich anfangs mit der Longierarbeit oder mit dem Reiten. Nach und nach verkürze ich die Aufwärmphase und verlängere die Einheiten an der Hand. Corday kennt diese Arbeit schon lange, bei ihm kann ich mittlerweile das Longieren weglassen und trainiere ihn ausschließlich an der Hand.

Die erste Trainingseinheit

Die meisten Pferde kennen den Gerteneinsatz an der Hand nicht. Deshalb besteht die erste Trainingseinheit darin, dem Pferd an der Hand die Gerte zu zeigen. Dafür streiche ich vorsichtig und langsam von der Schulter an den ganzen Pferdekörper sanft ab. Dabei beobachte ich mein Pferd ganz genau. So erkenne ich ziemlich schnell, wo mein Pferd empfindlich und kitzlig ist. Beim Touchieren der Beine zeigen sich womöglich schon eventuelle Touchierpunkte. Wenn das Pferd also kein Problem mit der Gerte an seinem Körper hat und cool bleibt, kann es losgehen.

Die Grundposition

Meine Grundposition ist etwas vor der Schulter des Pferdes, die innere Hand befindet sich ziemlich nah am Trensenring. Die andere Hand nimmt den äußeren Zügel und die Gerte. Bei großen Pferden und kleinen Reitern wie es auf Corday und mich zutrifft, empfehle ich die äußere Hand etwas tiefer zu tragen, um Ermüdungserscheinungen im Arm vorzubeugen. Meine Schultern befinden sich parallel zum Pferd, mein Blick ist gerade und nach vorne gerichtet. Wenn die Gerte pausiert, zeigt sie in Richtung Sprunggelenk.

Grundposition klassische Handarbeit
Die Körperhaltung und -spannung signalisiert dem Pferd bereits in der Grundposition, dass es sich konzentrieren soll.

Grundsätzlich wirke ich sanft auf das Gebiss ein, indem ich vorsichtig auf die Maulwinkel einwirke. Ich ziehe weder nach vorne noch nach hinten, sondern lockere Richtung Maulwinkel nach oben ab und gebe so meine halben Paraden. Für das Rückwärtsrichten drehe ich um und positioniere mich etwas Richtung Pferdekopf, um das Pferd etwas abzubremsen und zum Rückwärtstreten zu veranlassen. Auch hier befinden sich meine Schultern parallel zum Pferd.

Beginnen an der Bande

Zu Beginn stelle ich das Pferd an die Bande. Diese bietet dem Pferd Halt und hilft das Pferd gerade zu richten. Auch der Reiter hat durch die Bande eine Orientierung und muss sich zu Beginn nicht auch noch auf den Weg konzentrieren.  Ich stelle mich in Grundposition und veranlasse das Pferd mit einem Schnalzgeräusch anzugehen. Unterstützen kann ich das Angehen mit einem leichten Touchieren des inneren Hinterbeines. Nachdem das Antreten gemeistert ist, geht es nun darum, das Pferd in dem richtigen Tempo zu halten. Das Pferd soll sich dem Tempo des Menschen anpassen. Zu Beginn sind die Kopfhaltung und die Stellung noch unwichtig. Anfangs sind die Pferde tendenziell noch hinter den Hilfen. Wenige gehen mutig voran und marschieren fleißig los. Mit einem energischen Schnalzen und leichter Touchierhilfe lernen auch diese Pferde fleißig zu gehen. Anfangs dauert es einige Runden, bis sich Reiter und Pferd abgestimmt und das passende Grundtempo gefunden haben. Wichtig ist: Wenn das Pferd zu trödeln beginnt, erinnert es sofort energisch daran, fleißig weiter zu laufen. Fleißige Pferde würde ich zu Beginn nicht abbremsen, solange diese auf den Reiter achten. Da der Fleiß für diese Arbeit besonders wichtig ist, gestatte ich den Pferden anfangs ein höheres Tempo.

Tempowechsel fördern die Aufmerksamkeit

Wenn der Reiter und das Pferd gemeinsam das Grundtempo gefunden haben kann man mit Tempowechseln beginnen. Tempowechsel fördern die Aufmerksamkeit des Pferdes und erhöhen die Reaktion. Um schneller zu gehen, beuge ich mich etwas nach vorne und animiere mit Hilfe eines Schnalzens das Pferd schneller zu gehen. Um langsamer zu gehen, mache ich mich groß, richte mich auf und halte meine Oberarme etwas vom Körper weg. Diese Hilfe steht im Vordergrund. Ergänzt wird diese durch halbe Paraden und dem Stimmkommando „Brrr“. Einige wenige Schritte sind zu Beginn absolut ausreichend. Wichtig ist vor allen Dingen, dass die Pferde auf die Hilfen eine Reaktion zeigen. Wenn dies sicher funktioniert, könnt ihr die Reprisen des fleißigen vorwärts bzw. des langsameren Gehens steigern. Wenn die Tempowechsel sicher sitzen, könnt ihr euch an die Erarbeitung des korrekten Haltens machen.

Das korrekte Anhalten

Das Anhalten leite ich mit einer halben Parade ein, werde langsamer nehme das Stimmkommando „Brrr“ mit dazu. Unterstützen kann ich das wieder durch meine Körperhaltung, indem ich mich aufrichte und mich etwas vor das Pferd positioniere. Dadurch sollte das Pferd deutlich langsamer werden. Weitere halbe Paraden und das Stehenbleiben des Reiters sollten des Pferd schließlich anhalten. Gleich zu Beginn achte ich darauf, dass das korrekte Anhalten einwandfrei funktioniert. Das Pferd soll auf allen vier Beinen gleichmäßig verteilt stehen. Falls sich das Pferd offen hinstellt, korrigiere ich das sofort und touchiere das jeweilige Hinterbein vor. Grundsätzlich wird nur nach vorne korrigiert. Häufiges Antreten und Anhalten erfordert vom Pferd viel Konzentration und Aufmerksamkeit.

Was zunächst noch unwichtig und langweilig erscheint ist für die weiteren Übungen sehr wichtig, da sie darauf basieren. Je sicherer und korrekter das Pferd an den Hilfen steht umso leichter lassen sich die anderen Lektionen erarbeiten.

Die erste Übung mit gymnastischem Effekt

Die erste Übung mit einem gymnastischen Effekt ist das Rückwärtsrichten. Diese Übung bringt das Gewicht von der Vorhand auf die Hinterhand. Dadurch kann die Vorhand freier werden. Außerdem wölbt sich der Rücken, die Hanken beugen sich.

Dazu drehe ich mich nach hinten und stelle mich wieder parallel zum Pferd, gebe leichte Paraden, die Gerte halte ich vor der Brust und touchiere, falls notwendig, auf Höhe vom Buggelenk. Den Pferden fällt es oft deutlich leichter, wenn sie den Kopf etwas höher tragen. An den Zügeln gebe ich zusätzlich leichte Impulse. Damit sollte das Pferd die ersten kleinen Schritte rückwärtsgehen. Anfangs reichen ein bis zwei Tritte. Wichtig ist, dass die Pferde überhaupt rückwärtsgehen. Sobald die Hilfe sicher sitzt, verlange ich auch mehrere Schritte im Rückwärts.

Was ist wichtig beim Rückwärtsrichten?

Beim Rückwärtsrichten ist die diagonale Fußfolge und ein fleißiges, promptes und gerades rückwärtsgehen wichtig. Wenn das Pferd schief wird, bspw. die Hinterhand nach innen kommt, korrigiere ich dies etwas indem ich die Schulter nach innen führe. Grundsätzlich korrigiere ich die Schiefe über die Schulter des Pferdes, um das Pferd gerade zur richten. Häufig stützen sich die Pferde ein wenig auf die Hand, um sich abzustoßen. Dies verhindere ich, indem ich den Pferdekopf etwas höher nehme, dabei an den Maulwinkeln leichte Aufwärtsparaden gebe. Dies sollte das Pferd veranlassen seinen Kopf selber zu tragen.

Schaukeln: ein erster Schritt in Richtung Piaffe

Bei dieser Übung ist das Lob stark von Bedeutung. Anfangs sollte jeder kleine Ansatz sofort gelobt werden, wenn es auch zunächst nur eine Gewichtsverschiebung nach hinten ist. Durch ganz viel Lob, Geduld und Zeit lernen die Pferde, dass das Rückwärtsrichten keine Strafe ist, sondern Spaß machen kann. Häufiges Angehen und Rückwärtsrichten wird „Schaukeln“ genannt.

Diese Übung fördert in großem Maß die Konzentration und Durchlässigkeit. Diese Übung kann man steigern in dem man das Pferd aus dem Rückwärtsrichten fleißig und prompt antraben lässt. Das fördert die Reaktionsgeschwindigkeit des Pferdes und ist ein erster Schritt Richtung Piaffe.

Das braucht ihr für die klassische Handarbeit

Experten von Loesdau

Über Experten von Loesdau

Die meisten Loesdau Mitarbeiter sind entweder selbst Pferdebesitzer oder Reiter, zumindest aber Pferdeliebhaber. Sie reiten Dressur oder Western, sind Springreiter oder Züchter, Pferdefotograf oder -physiotherapeut, Trainer oder Reitlehrer. Sie sammeln ständig Eindrücke in allen Belangen rund um ihre Vierbeiner und bilden sich auf ihrem Spezialgebiet ständig fort. Außerdem machen die Kolleginnen und Kollegen permanent neue, interessante Erfahrungen, treffen wiederum Spezialisten und wissen in Sachen Pferd definitiv Bescheid. So ist jeder auf seinem Gebiet ein echter Experte und immer up-to-date. Aktuell bedeutendes Wissen erhalten sie in Seminaren, Kursen oder Lehrgängen.

2 Kommentare zu “Klassische Handarbeit: Teil 1 – Von der Ausrüstung bis zur ersten Übung

  1. Boeck

    Ein super erklärender Blog. Ich konnte gar nicht aufhören weiterzulesen. Ich finden die ganze Art und Weise wie erklärt wird simple und sehr verständlich. Danke und gerne noch mehr solcher Blogs.

  2. Andrea Klopf

    Danke für diesen tollen, detaillierten Beitrag. Werde ich gleich mal ausprobieren 🙂

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